Sorgende Gemeinschaft Oberes Enztal

Qualifiziert ins Quartier 2/2

Freitag, 29. November 2024 | 16-20:00 Uhr
Festhalle | Friedenstraße 16 | 75337 Enzklösterle

Gastgeber

Stadt Bad Wildbad, Nicola Wiedemann
Seniorenrat Oberes Enztal, Claudia Ollenhauer

Mitwirkende

Teilnehmer:innen aus Zivilgesellschaft und Verwaltung

Moderation & Dokumentation

Hans-Ulrich Händel

1. Vorgehensweise

Der 2. Teil der Qualifizierung „Qualifiziert ins Quartier“ fand in Enzklösterle statt. Die Wissensvermittlung konzentrierte sich auf qualitative Aspekte und Methoden guter Quartiersentwicklung sowie die Anwendungspraxis. Verschiedene Methoden wurden in diesem Workshop niederschwellig eingeführt um Praxisanliegen zu bearbeiten. Auf Bei Interesse können die Methoden vertieft behandelt werden.

2. Agenda

Die Teilnehmerinnen hatten die Wahl, Praxiselemente in Form konkreter Praxisbeispiele zu besprechen oder Konzepte zu vertiefen. Die Entscheidung fiel für Praxisbeispiele vor Ort mit Hilfe kollegialer Beratung und aus.

3. Quartiersspaziergang

Die im Teil I der Qualifizierung ausgegebene Checkliste für Quartiersbegehungen wurde als hilfreich für Beobachtungen und Einschätzungen beschrieben. Der jetzige Quartierspaziergang mit Claudia Ollenhauer konzentrierte sich auf das Areal der Festhalle mit dem angrenzenden, weitläufigen Park für alle Generationen mit Spielplatz, Naschgarten, Wasserspielen, jahreszeitliche und thematischen Erlebnisflächen, Picknickecken sowie Spielwiese.

Besichtigt wurde der Tante M Laden, der sich im Quartier befindet. Hier wurde das Konzept einer Sitzecke als sozialer Treffpunkt besprochen (siehe Auswertung Quartiersspaziergang).

Entwicklungsgeschichte des Areals

von Claudia Ollenhauer

Erste Überlegungen gab es 2011, mit der „Gefährdetenhilfe Wegzeichen“, mit Elternbeiräten aus der Grundschule und aus dem Kindergarten haben sich im September 2012 neue Partner für das Projekt Kinderspielplatz gefunden, seit 2013 gibt es den AK Spielplatz, der nach Fertigstellung aufgelöst wurde. Bedenken äußern Gemeinderäte wie Anwohner. Andreas Korte und Pamela Lutz mit ihrem Team vom AK werben 2014 lokal knapp 14.000 EUR ein, die Baden-Württembergische Bank verdoppelt den Betrag im Rahmen ihres Spendentopfs. Das Regierungspräsidium Karlsruhe fördert im Rahmen „Leader-Aktionsgruppe Nordschwarzwald“, das Projekt wird im Haushaltsplan 2016 der Gemeinde Enzklösterle berücksichtigt. Ende Juni 2017 wird der Vital-Aktiv-Platz „Heidelbärchen“ eröffnet.

Im Jahr 2023 wird der Springbrunnen durch einen Wasserlauf und Liegewiese ersetzt, eine Tischtennisplatte installiert, ein Nasch- und Duftgarten angelegt und eine Baumelbank aufgestellt.

Aus dem Programm des Landes Baden-Württemberg zur Tourismus-Infrastruktur erhielt Enzklösterle auf Antrag einen Zuschuss über 72 600 Euro. Weitere 45 000 Euro flossen aus dem Ausgleichstock in die Maßnahme, deren Kosten sich auf insgesamt 121 000 Euro belaufen. Rund 3000 Euro übernahm die Gemeinde aus dem eigenen Haushalt.

4. Auswertung Quartiersspaziergang – Starke 14

Das Auswertungsgespräch im Plenum zeigte auf, wie die Entwicklung des Areals sich zu einem beliebten Aktivpark für alle Generationen entwickelt hat.

Der Focus des Austausches lag auf dem im September 2024 eingerichteten Tante M Laden mit digitaler Zugangs- und Bezahltechnik. Eine Barriere für alle nicht digital bewanderten Bürger*innen.

Frage: Wie kann im Laden „Tante M“ ein sozialer Treffpunkt entstehen? Wie können die digitalen Barrieren beim Einkaufen überwunden werden?

Methode: Anlehnung an Methode „kollegiale Beratung“

5. Tischgespräch mit Claudia Ollenhauer

Praxisbeispiele aus der Region

Projekt: Nachtwanderer Calmbach und Wildbad

2014 gegründet, Initiative des damaligen BM-Klaus Mack.

Die „Nachtwanderer“ gehen in kleinen Gruppen (mindestens 3 Personen) abwechselnd freitags bzw. samstags durch Wildbad und Calmbach. Sie halten sich an verschiedenen Plätzen und Orten auf, wo sich auch die Jugendlichen aufhalten. Sie wollen mit ihrem Engagement dazu beitragen, dass Jugendliche sich nachts auf den Straßen sicherer fühlen und in Krisensituationen einen
Ansprechpartner haben, damit mögliche Konflikte schon im Vorfeld entschärft werden.

Ansprechpartner:
Verantwortlicher: Ralf Kuhnle: 07081/5863 rikuhnle@web.de
Hauptamtsleiter: Alexander Rabsteyn: 07081/930110 / a.rabsteyn@bad-wildbad.de

Monatlicher Stammtisch der Nachtwanderer, 1. Donnerstag im Monat

  • Unser Ziel ist gegenseitiges Vertrauen
  • Die Gruppe bleibt immer zusammen.
  • Wir tragen einheitliche Westen und Jacken, die unser Logo zeigen.
  • Wir statten unsere Gruppen mit Erste-Hilfe-Set und Taschenlampen aus.
  • Wir schulen uns unter anderem in Erster Hilfe und machen ein Deeskalationstraining.
  • Wir holen bei Bedarf Ordnungs- und Rettungskräfte als Unterstützung.
  • Wir diskutieren die Geschehnisse der Nacht nur untereinander.

Projekt: NOTINSELN

Seit 2016 rund 70 Notinseln für Kinder in Calmbach, Wildbad, Enzklösterle, Höfen

Initiative: Nachtwanderer, Kommunen

Ansprechpartner: Notinsel-Beauftragte Thomas Müller vom „Lions Club Pforzheim Johannes Reuchlin“

Finanzierung: Stiftung Hänsel+Gretel, Kommunen

Das Notinsel-Projekt baut auf örtlichen Strukturen auf und trägt zur Vernetzung von engagierten Menschen und Einrichtungen aus verschiedenen Bereichen bei. Dabei übernehmen öffentliche oder gemeinnützige Projektträger die Verantwortung vor Ort und werden bei der Einführung und nachhaltigen Umsetzung des Projektes von der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel unterstützt.

Projekt: Menschen Miteinander / Interkultureller Garten Oberes Enztal

Ein Vorläufer des Vereins war die seit einigen Jahren bestehende Arbeitsgemeinschaft „Internationaler Garten“, die bis zum vergangenen Jahr in Calmbach einen solchen betreute. Vereinszweck ist die Förderung der Integration von Menschen und verbunden damit die
Beseitigung von Ausgrenzungen unter dem Motto „Mehr Miteinander und weniger Gegeneinander“.

Der 2017 daraus entstandene Verein Menschen Miteinander / Interkultureller Garten Oberes Enztal e. V. ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Integration und Vielfalt, sozialer Teilhabe und friedlichem Zusammenleben in Bad Wildbad und Umgebung. Der Verein ist Teil des im Oktober 2017 durch seine Initiative mitgegründeten „Netzwerks für Wertevielfalt im Nordschwarzwald (WiN)“. Ziel des Netzwerks WiN ist es gemeinsam für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft einzutreten.

Ansprechpartner: Hubertus Welt, Kirsi-Marie Welt

Projekt: Denkräume: moderierte Veranstaltungen zu kontroversen Themen

Das Projekt „Miteinander Reden: Kontroversen führen – Vertrauen bilden“ ist Teil des Programms „Miteinander Reden“ und wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.

Projekt: Weltessen

Sinn der Weltessen ist, Vorurteile und Zuschreibungen aufzulösen, neue Zugänge zu den Menschen aus dem jeweiligen Land zu finden und sich im geselligen Genießen landestypischer Speisen auszutauschen. Die Weltessen finden mindestens einmal im Jahr statt.

Projekt: KlimaWasser

Es wurde möglich dank der Partnerschaft u. a. mit dem Landkreis Calw, dem Infozentrum Kaltenbronn und den Gemeinden Bad Wildbad, Enzklösterle und Höfen an der Enz. Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, Mitteln des Landes Baden-Württemberg über die Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) sowie aus Mitteln der Sparkasse Pforzheim Calw.

In der Folge bewirbt sich Bad Wildbad als Fairtrade-Town im LK Calw beim BMZ.

Projekt: Social Franchising

Der Begriff „Social-Franchising“, der sich für dieses Vorgehen etabliert hat, ist der Fachbegriff für ein in diesem Fall nicht-kommerzielles Franchising mit dem Ziel, ein entwickeltes soziales Projekt auf weitere Standorte zu übertragen, die von Best-Practice-Beispielen, den Erfahrungen anderer und den technischen Entwicklungen profitieren. Dadurch ergibt sich auch eine hohe Kostenersparnis, denn eine eigene Entwicklung eines solchen Projektes mit all seinen Maßnahmen für jeden Standort einzeln, kann ein einzelner Standort kaum leisten.

Das Modell des „Social-Franchising“ wird zur Übertragung sozialer Projekte vom Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. und der Bertelsmann Stiftung in ihrer Veröffentlichung „Nachmachen erwünscht Methoden erfolgreichen Projekttransfers“ empfohlen.

6. Gute Beteiligung im Quartier

Was macht gute Beteiligung im Quartier aus? Welche Kriterien gibt es dafür? Eine Anregung für gute Projekte und Prozesse.

Tipp für die Praxis: Beim ersten Projekt vielleicht mit zwei oder drei Grundsätzen beginnen und dann ausbauen.

Herausgeber: Allianz vielfältige Demokratie

7. Zaungespräche

Wer kennt das nicht? Mit einer Mission unterwegs und Menschen für die eigene Sache gewinnen und begeistern. Aber wie kann das gelingen ohne Misstrauen zu wecken? Wie komme ich Kontakt und hinterlasse interessierte Mitbürger*innen?

Das Format des „Zaungesprächs“ zeigt, wie eine „aufsuchende Beteiligung“ gelingen kann was dabei wichtig ist zu berücksichtigen. Das Format enthält Bestandteile der Methode Appreciative Inquiry (AI).

Die Übung verband ein Rollenspiel mit einem folgenden Theorieteil. Das Zaungespräch mit der Methode Appreciative Inquiry orientiert sich auf Stärken und Kompetenzen von Menschen. Es schaut zunächst nicht auf Defizite.

In der ausgewählten Gesprächsphase für das „Zaungespräch“ geht es darum in Kontakt zu kommen, Themen der Lebensqualität im Quartier zu beschreiben und Menschen einzuladen an gemeinsamen Themen mitzudenken. In diesem Erstkontakt geht es nicht darum Menschen zum direkten Engagement zu ermutigen. Sondern mit Themen in Verbindung zu bringen. Je nach Bereitschaft kann daraus auch Engagement entstehen.

Im Zaungespräch äußern Menschen, was sie sich für die Zukunft ihrer Gemeinschaft oder Gruppe vorstellen. In dieser Phase geht es darum, zu beschreiben, wie es aussehen wird, wenn eine Vision umgesetzt ist – das antizipatorische Prinzip ist hier besonders inspirierend. Dieses Gespräch soll belebend, produktiv und praktisch sein.

Diese Fragen sollen den Interviewpartnern helfen, aus dem „Hier und Jetzt“ herauszukommen und sich eine gewünschte Zukunft vorzustellen:

  • Wenn Sie drei Wünsche zur Verbesserung dieser Gemeinschaft/Situation frei hätten, welche würden Sie sich wünschen?
  • Was sind Ihre drei wichtigsten Hoffnungen für die Zukunft dieser Situation?
  • Stellen Sie sich einen idealen Tag in dieser Gemeinde vor. Was ist das Erste, was Sie sehen, wenn Sie das Haus verlassen? Nennen Sie drei Dinge, die Ihnen ein gutes Gefühl geben.
  • Stellen Sie sich vor, Sie sind genau dort, wo Sie in einem Jahr sein möchten. Was sind die größten Dinge, die in der Zwischenzeit erreicht wurden? Was passiert? Wie interagieren die Menschen?
  • Was erhoffen Sie sich Ihrer Meinung nach anderen Menschen in dieser Situation?
  • Gibt es einen Wunsch, an den sonst niemand gedacht hat?
  • Haben Sie von unerwarteten, guten Ideen gehört?
  • Welche gemeinsamen Zukunftsvisionen haben Sie und andere Menschen?

8. Praxisfall – Boule spielen

Eine Teilnehmerin stellte die Situation dar, dass sie eine Gruppe zum Boulespielen angeregt hat. Nach einigen Treffen, wollte sie, dass auch jemand anderes aus der Gruppe die wöchentlichen Treffen organisiert. Sie hatte nicht jedes Mal Zeit zu kommen
und die Gruppe sollte auch in der Lage sein sich alleine zu organisieren. Die Erfahrung bis war jedoch, dass wenn sie nichts organisierte fiel das Treffen aus. Niemand anderes
übernahm die Einladung und Organisation.

Die Frage, die die Teilnehmerin stellte war: Wie bekomme ich eine von mir initiierte Gruppe dazu, sich selbst zu organisieren?

Mit der Methode der „kollegialen Beratung“ wurde in der Gruppe die Frage beraten. Die Methode eignet sich in Gruppen, die an gemeinsamen Zukunftslösungen interessiert sind. Diese kann in Arbeitstreffen und im Freien angewendet werden.

Phasen der kollegialen Beratung

  • Rolle der Moderation wird festgelegt.
  • Fallgeber*in stellt das Thema vor.
  • Gruppe stellt Verständnisfragen.
  • Fallgeber*in formuliert ihre Frage.
  • Die Gruppe entwickelt Lösungsideen, die notiert werden.
  • Die Fallgeberin diskutiert nicht mit.
  • Die Lösungsideen werden präsentiert. Die Fallgeberin kann sagen, was sie besonders angesprochen hat und bedankt sich bei der Gruppe.

Bei diesem Beispiel hat die Fallgeberin die für sie wichtigsten Lösungsideen mit 5 Klebepunkten priorisiert.

9. Die Goldenen 4

Um erfolgreich in Gruppen unterwegs zu sein, sind vier Aspekte hilfreich. Diese wurden vorgestellt und anhand Situationen aus dem Alltag und der Praxis diskutiert.

10. Ausblick

Die Teilnehmenden sind interessiert, ihre Kontaktadressen auszutauschen und möchten gerne von der Sorgenden Gemeinschaft weiter informiert werden und sich ggf. einbringen. Interesse besteht an einem Austausch auch gerade im Hinblick zu den vorgestellten Projekten aus der Praxis.

11. Abschlussbewertung der Qualifizierung

Die Qualifizierung „Qualifiziert ins Quartier“ fand an zwei Freitagen, 22.11. und 29.11.2024 von jeweils 16 Uhr bis 20 Uhr in Höfen und in Enzklösterle statt.

In vier Dimensionen konnte jeweils ein Klebepunkt vergeben werden. Die Skala der Bewertung reichte von ++ (sehr gut) über 0 (zwischendrin) bis – (sehr schlecht).


Gefördert durch die Quartiersakademie Baden-Württemberg